Konferenz für Urban Transformation Design..
erstellt von Ralph Fröhlich Offenburg
Reale Utopien – Wege zur nachhaltigen Transformation
kfutd.de Printed on 3. November 2025
November 3, 2025
Kategorien: Aspekte für Urban Transformation Design, Demokratie
Im März 2026 sollen die Bürgerinnen und Bürger Offenburgs selbst entscheiden, ob aus dem bisherigen Sonderlandeplatz ein neues Gewerbegebiet entstehen soll. Die Verwaltung schlägt den Bürgerentscheid parallel zur Landtagswahl vor – mit der Fragestellung:
| „Sind Sie für die Entwicklung des Sonderlandeplatzes (Flugplatzes) zu einem Gewerbegebiet auf Offenburger Gemarkung?“ |
Eine einfache Frage – mit weitreichenden Konsequenzen.
Der Sonderlandeplatz südlich der Stadt ist rund 25 Hektar groß, liegt eingebettet zwischen Königswald und bestehenden Gewerbeflächen und wird derzeit von etwa 180 Mitgliedern der Fliegergruppe Offenburg genutzt. Der Platz ist nicht öffentlich zugänglich, Geschäftsflüge sind aufgrund der Infrastruktur nicht möglich.
Wenn die Start- und Landebahn verschwindet, sollen dort bis zu 20 Hektar Gewerbefläche entstehen – das größte neue Gewerbegebiet, das Offenburg seit Jahrzehnten geplant hat. Die Stadt argumentiert mit einem akuten Mangel an Erweiterungsflächen für ansässige Unternehmen und der Gefahr, dass Betriebe abwandern könnten.
Dem stehen jedoch zwei gewichtige Interessen gegenüber:
1. Die Fliegergruppe, die den Platz als Heimat und als Standort für regionale Einsätze nutzt – etwa für Hagelflieger oder gelegentliche Hubschrauberlandungen der Bundespolizei.
Ihr Engagement ist anerkennenswert, doch die reine Freizeitnutzung dürfte im Vergleich zu den städtischen Entwicklungszielen ein kleineres Argument sein.
2. Das Allgemeingut Grünfläche, das sich hier über Jahrzehnte erhalten hat.
Magerwiesen, seltene Pflanzen und Tierarten, offene Böden und Kaltluftströme bilden ein ökologisches Rückgrat, das weit über die Stadtgrenzen hinauswirkt.
Wer das Gebiet kennt, weiß: Es ist einer der letzten großen Freiräume Offenburgs.
Die Verwaltung verweist auf Klimaresilienz, Baumpflanzungen und Photovoltaikdächer – doch entscheidend bleibt: Ein Gewerbegebiet bleibt ein massiver Eingriff in den Bodenhaushalt, mit langfristiger Versiegelung, steigendem Verkehr und verändertem Mikroklima.
Während Unternehmen wachsen wollen, schrumpft die verfügbare Fläche.
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Boden aber wächst nicht nach – er ist endlich.
Das stellt die Stadt vor eine zentrale Frage: Wie viel Wachstum verträgt Offenburg noch – und wo liegen die Grenzen?
Trotz jahrelanger Debatte ist bis heute nicht klar,
welche Firmen konkret Flächen benötigen,
wie groß ihr Bedarf tatsächlich ist,
und welche Alternativen im Bestand oder durch Nachverdichtung bestehen.
Eine transparente Bedarfsanalyse steht aus.
Zudem ist unklar, wie sich die Entwicklung auf den Autobahnzubringer Süd auswirken würde – denn beide Projekte greifen räumlich ineinander.
Jede Entscheidung in diesem Bereich sendet Signale an das Regierungspräsidium, welche Variante später bevorzugt werden könnte.
Der Bürgerentscheid wird also weit mehr entscheiden als nur über ein Areal am Stadtrand.
Er wird zeigen, welche Prioritäten Offenburg in Zeiten der Klimaanpassung, Flächenknappheit und sozialer Herausforderungen setzt.
Es geht um eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und ökologischer Verantwortung, um das Verhältnis von Eigentum, Gemeinwohl und Lebensqualität.
Die Fliegergruppe mag nur ein Teil des Puzzles sein – aber die eigentliche Frage lautet:
| Wollen wir Grünfläche als Zukunftsreserve schützen, oder wollen wir sie in Gewerbefläche umwandeln, um kurzfristig wirtschaftlich zu wachsen? |
Der Gemeinderat berät am 10. November 2025 über die genaue Formulierung der Abstimmungsfrage. Bis dahin bleibt Zeit, Argumente abzuwägen, Informationen einzufordern und sich eine Meinung zu bilden. Denn: Dieser Bürgerentscheid wird zeigen, wie Offenburg künftig mit seinen letzten Freiflächen umgeht – als Stadt, die wachsen will oder als Stadt, die Weitsicht vor Wachstum stellt.
Die Stadtverwaltung schlägt folgende Frage für den Bürgerentscheid im März 2026 vor:
| „Sind Sie für die Entwicklung des Sonderlandeplatzes (Flugplatzes) zu einem Gewerbegebiet auf Offenburger Gemarkung?“ |
Diese Formulierung ist entscheidend – denn sie beeinflusst, wie Menschen intuitiv antworten.
Die Frage ist positiv und zustimmungsorientiert formuliert.
Das Wort „für“ in Verbindung mit „Entwicklung“ erzeugt ein Gefühl von Fortschritt, Aktivität und Zukunft.
Wer mit „Ja“ stimmt, fühlt sich damit leicht als jemand, der etwas bewegt oder voranbringt.
Die Alternative – ein „Nein“ – wirkt dagegen passiv, wie ein Bremsen oder Verhindern. 6
Damit ist die Frage nicht neutral, sondern sprachlich zugunsten der Verwaltung und Wirtschaft gerahmt. Sie lenkt den Fokus auf das, was entstehen könnte – nicht auf das, was verloren geht.
Weder Begriffe wie „Umwandlung“ noch „Grünfläche“ oder „Versiegelung“ tauchen auf, obwohl genau das die Folgen wären.
Juristisch ist die Formulierung korrekt, weil sie eine eindeutige Ja/Nein-Entscheidung ermöglicht.
Politisch ist sie jedoch tendenziös, weil sie nur eine Richtung – die Entwicklung – aktiv benennt.
Neutraler wäre etwa:
| „Sind Sie dafür, den Sonderlandeplatz in ein Gewerbegebiet umzuwandeln?“ oder spiegelbildlich „Sind Sie dafür, dass der Sonderlandeplatz in seiner bisherigen Form erhalten bleibt?“ |
Solche Varianten wären gleichwertig beantwortbar, aber sprachlich ausgewogener.
Der Bürgerentscheid gilt als angenommen, wenn
die Mehrheit der Stimmen „Ja“ lautet, und
diese „Ja“-Stimmen mindestens 20 % der Stimmberechtigten ausmachen.
Bei rund 47.000 Wahlberechtigten in Offenburg wären das etwa 9.400 Ja-Stimmen.
„Ja“ = Ich bin für das Gewerbegebiet.
„Nein“ = Ich bin für den Erhalt der Fläche.
Bleibt das Quorum unerreicht oder überwiegt das „Nein“, bleibt der Flugplatz erhalten.
Da der Entscheid zeitgleich mit der Landtagswahl stattfindet, wird die Beteiligung hoch sein – am Quorum dürfte es also nicht scheitern. Entscheidend ist daher die Richtung der Stimmen.
Die Frage ist sprachlich einseitig, weil sie Zustimmung emotional auflädt und Ablehnung sprachlich schwächt. Sie spielt der Verwaltung und der Wirtschaft in die Karten.
Wer sich für den Erhalt der Grünfläche ausspricht, muss deshalb klar und bewusst mit „Nein“ stimmen.
| „Ja“ heißt Gewerbegebiet – „Nein“ heißt Grünfläche bleibt. |